Heimat ist ein Raum aus Zeit

Film von Thomas Heise

Anhand von Briefen, Tagebucheinträgen und wenigen Fotografien aus dem Leben seiner Familie erzählt Thomas Heise über hundert Jahre deutsche Geschichte.

2014 war seine Mutter Rosemarie und bald darauf sein Bruder gestorben. Der Vater Wolfgang, Philosophie-Professor an der Humboldt Universität in Ostberlin, war seit 1987 tot. Beide Eltern waren gut befreundet mit Theo und Amalie Pinkus, und nach 1990 besuchte Rosi Heise einmal jährlich Amalie Pinkus in der Besenrainstrasse in Zürich. Die Literaturwissenschaftlerin machte aber nicht nur Ferien in der Schweiz, sie war auch interessiert am Nachlass von Theo Pinkus, der 1991 gestorben war, und konnte mit ihren Kenntnissen der DDR-Persönlichkeiten einiges zur Identifizierung von Personen und Orten im fotografischen Nachlass beitragen.

„Heimat ist ein Raum aus Zeit“ ist der Titel für die Suche nach der Mikrogeschichte einer Familie. An Schauplätzen in Berlin, Wien, Peenemünde, Zerbst, auf Güterbahnhöfen, an Gleisen, Strassen und Brachen entstanden menschenleere Einstellungen. Über allen liegt die Stimme von Thomas Heise. Er liest Tagebucheinträge und Briefe vor. Zu den eindringlichsten gehören Postkarten und Briefe aus Wien, von wo die jüdische Mutter von Wolfgang Heise stammte. Ihre verzweifelten Angehörigen berichten von der Entrechtung, Vertreibung und Deportation der Urgrosseltern und vieler Verwandten. Dazu erscheinen eine nicht endend wollende Folge infamer bürokratischer Dokumente zur Vorbereitung der KZ-Transporte, in denen Thomas Heise die Namen seiner ermordeten Verwandten rot markierte.

Der 218 Minuten lange Film spiegelt die deutsche Tragödie des vergangen Jahrhunderts mit einem ruhigen, bedächtigen, fast hynotischen Bilderfluss wieder, der uns keine bequemen Identifikationsangebote macht, aber uns für sich selbst sprechende Fragmente der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts klar und einprägsam in Erinnerung bringt.

Thomas Heise (*1955) wurde 1992 durch seinen Dokumentarfilm „Stau –Jetzt geht’s los“ über die rechtsradikale Jugendszene in Halle an der Saale im deutschsprachigen Raum bekannt. Von 1993 bis 1998 inszenierte er mehrere Stücke am Berliner Ensemble. Seit 2013 ist er Professor an der Akademie für Bildende Künste in Wien.

Bestellen bei der Bundeszentrale für politische Bildung

(Spezialvorstellung für die Mitglieder des Fördervereins der Studienbibliothek im Kino Xenix am 5.4.2020)