Trotzkistische Aktivist:innen und die politischen Bewegungen 1948-1969 in der Schweiz

Ostermärsche, Algeriensolidarität, Atomwaffen, Mindestlöhne, Ungarn, Sozialistische Jugend, Sibir und Chiropraktiker. Diese Stichworte bilden den Rahmen des Vortrags von Lucas Federer über eine Zeit und ihre politische Bewegungen, die an einem Abend unmöglich endgültig besprochen werden können. Also bewegen wir uns scheinbar zufällig hindurch und werden auf Thesen, Vermutungen und Hinweise stossen, die den Ereignissen eine Wichtigkeit für die schweizerische und internationale Politik und für spätere politische Bewegungen zusprechen. Damit soll eine durchaus aktive Zeit eingefangen werden, die bislang in der historischen Forschung eher als die Ruhe vor dem Knall um 1968 wahrgenommen wurde.

Neben den politischen Prozessen steht auch das, was wir über das Private wissen im Zentrum – und das Verhältnis dieser beiden Sphären zueinander. Aus dem Blickwinkel von zwei bedeutenden Trotzkisten jener Zeit, Heinrich Buchbinder und Hans Stierlin, schauen wir auf die Geschichte in der Zeit von 1948-1969 und fragen uns insbesondere auch, weshalb es nur die Männer sind, die im Zentrum zu stehen scheinen und was dies für das Verhältnis der Geschlechter damals geheissen haben mag.

Federer, Lucas: Zwischen Internationalismus und Sachpolitik
Die trotzkistische Bewegung in der Schweiz, 1948-1969
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Die Arbeit hat zum Ziel, eine Forschungslücke in der Untersuchung trotzkistischer Gruppierungen in der Schweiz in den 1950er und 60er Jahren, spezifisch zu ihrem Einfluss und Wirken in der nationalen als auch internationalen politischen Landschaft, zu schliessen. Dabei werden nicht nur die komplizierten Organisationsgeflechte und politikgeschichtliche Zugänge eine Rolle spielen. Der Schweizer Trotzkismus stellte ein soziales Milieu dar, in dem sich die Aktivistinnen und Aktivisten bewegten, und mit dem sie beispielsweise ihre beruflichen Tätigkeiten zu koordinieren hatten. Diese Umstände sollen ebenso untersucht werden wie das Verhältnis der trotzkistischen Bewegung zu traditionellen sozialdemokratischen und kommunistischen Milieus und die Einbindung von Aktivisten und Sympathisanten in gewerkschaftliche Zusammenhänge.

Des weiteren werden sowohl Fragen zur Rolle der Frau im trotzkistischen Umfeld, als auch die im trotzkistischen Selbstverständnis als „Internationalisten“ äusserst wichtige transnationale Vernetzung, vor allem mit den Befreiungsbewegungen in Algerien, aber auch nach Lateinamerika, den Staaten des Ostblocks, Palästina, China und Kuba zentrale Bereiche der hier skizzierten Arbeit darstellen.

Neben umfangreichen Archivbeständen, sowohl zu trotzkistischen Organisationen als auch in Form von Privatnachlässen zentraler Persönlichkeiten, werden Zeitzeugeninterviews eine zentrale Quelle sein und Möglichkeit der Erforschung des Trotzkismus in der Schweiz in seinen hier skizzierten Dimensionen bieten.

Lucas Federer hat Geschichte und Soziologie studiert, ist in Arbon TG aufgewachsen und lebt in Zürich. Seine Doktorarbeit widmet sich den Schweizer Trotzkisten im internationalen Kontext 1948-1969.