„Zürich und Bern, diese Schlangennester der Intrige“
Stefan Zweig, Frans Masereel und das Schweizer Exil 1917-1919

Referat von Julia Rebecca Glunk

Der Erste Weltkrieg wird in vier langen Jahren die geopolitischen, kulturellen und sozialen Strukturen Europas und der Welt für immer radikal verändern. Doch die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ ist nicht nur ein militärischer Konflikt. An ihrem Beginn und in ihrem Zentrum steht ein folgenschwerer Krieg der Worte und Bilder, ein Krieg der nationalistischen Propaganda und der Informationsbeschneidung – ein Krieg, wenn man so will, um Lüge und Wahrheit. Eine Insel in dieser Zeit ist einzig die neutrale Schweiz, in der die Informationen, die Fakten noch freier fließen dürfen. 

Ab 1914 macht Romain Rolland, französischer Schriftsteller und Nobelpreisträger von 1915, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Genf zu seinem zentralen Wirkungsort. Von hier aus korrespondiert er täglich hundertfach mit Soldaten, Intellektuellen und Schriftstellern aus allen Ländern und propagiert seinerseits ein radikales Ideal intellektueller Vernunft, europäischer Bruderschaft und informationspolitischer Emanzipation. Das „Gewissen Europas“ nennt man ihn bald. Ihm schliesst sich im Jahr 1915 der junge belgische Künstler Frans Masereel an, dessen berühmte Schwarz-Weiß-Holzschnitte in den Folgejahren dem Pazifismus Rollands ein Gesicht und eine wichtige Stoßrichtung geben werden. Und auch Stefan Zweig, dessen Heimatland Österreich-Ungarn – seine geliebte „Welt von gestern“ – den Weltkrieg nicht überstehen wird, folgt im Jahr 1917 dem Ruf Rollands. Das Schweizer Exil wird er sein Leben lang als maßgeblichen Wendepunkt betrachten. 

Masereel und Zweig schliessen hier, inmitten dieser politischen Wirren, eine lebenslange und innige Freundschaft, die sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder auf das gemeinsame Exilerlebnis berufen wird. Von diesem Erlebnis und seinen Folgen handelt dieser Vortrag.

Julia Rebecca Glunk ist Literaturwissenschaftlerin in Freiburg im Breisgau. 2018 erschien ihre Masterarbeit mit dem Titel: Stefan Zweig und Frans Masereel. Dimension einer Künstlerfreundschaft im Briefwechsel und in der Novelle Der Zwang.

Zoom-Vortrag von Julia Rebecca Glunk

(Vortrag von Julia Rebecca Glunk vom 15.7.2021 im Sogar-Theater, Zürich)